Warum und wofür werden Chemikalien eingesetzt?

  1. Vorbereitung und Aufbereitung:

    Schon bevor gefärbt wird, müssen die Fasern gereinigt werden. Bei Viskose werden Chemikalien benötigt, um die Zellulose aus dem Holz zu lösen. Bei Baumwolle wird sie oft merzerisiert (Veredelung mit Natronlauge), um den Glanz zu erhöhen und die Farbaufnahme zu verbessern.

  2. Färben und Drucken:

    Ohne Chemikalien könnten Farbstoffe nicht auf der Faser fixiert werden. Hier kommen Beizmittel (Schwermetalle) und Fixiermittel (wie Azo-Farbstoffe) zum Einsatz, um die Farbechtheit und Brillanz zu garantieren.

  3. Textilausrüstungen (Veredelung):

    Dies ist der Bereich, in dem Naturfasern funktionale Superkräfte erhalten. Hier wird das Textil behandelt, um es wetterfest, pflegeleicht oder haltbarer zu machen:

    • Wind & Wetter: Imprägnierungen mit PFAS machen Outdoor-Textilien wasser- und schmutzabweisend.

    • Pflegeleicht: Chemikalien (z. B. Formaldehyd) machen Hemden knitterfrei oder bügelleicht.

    • Sanforisiert: Eine mechanische Veredelung, oft unterstützt durch chemische Mittel, um ein Einlaufen des Gewebes beim Waschen zu verhindern.

    • Flammschutz: Spezielle Ausrüstungen, um Textilien schwer entflammbar zu machen.

Chemikalien ermöglichen also die immense Bandbreite an funktionalen und ästhetischen Textilien, die wir heute kennen. Doch genau dieser Wunsch nach Perfektion und Funktionalität führt zum intensiven Einsatz von Chemikalien, deren Rückstände und Abwässer die Hauptlast für Umwelt und Gesundheit in den Produktionsländern darstellen

Der Einsatz dieser Chemikalien ist eine der größten Umweltbelastungen in der Textilindustrie. Viele der toxischsten Stoffe gelangen ungefiltert in die Flüsse der Produktionsländer. Zertifizierungen wie GOTS oder das OEKO-TEX Standard 100 zielen darauf ab, zumindest im Endprodukt schädliche Chemikalien zu minimieren oder zu eliminieren.

Chemikalien in der Textilindustrie

Der Einsatz von Chemikalien in der Textilproduktion ist nicht nur auf das Färben und Bleichen beschränkt. Tatsächlich sind sie der Schlüssel, um den Fasern und Geweben bestimmte Eigenschaften zu verleihen, die sie für unsere modernen Ansprüche benötigen – seien es ästhetische Wünsche oder funktionale Notwendigkeiten.

Pestizide werden auf einer Agrarfläche durch einen Menschen ausgebracht.

@uday_77

Welche Chemikalien werden eingesetzt und warum sind sie bedenklich?

    • Als Beizmittel (Fixiermittel) beim Färben (z. B. Kupfer, Chrom, Nickel) und als Farbpigmente.

    • Hochgradig toxisch für aquatische Ökosysteme.

    • Chronische Exposition beim Menschen (z. B. Chrom VI) kann Hautkrankheiten, Allergien und Krebs verursachen.

    • In Kunststoffen wie PVC-Leder und Druckfarben, um diese flexibel zu machen.

    • Stehen im Verdacht, das Hormonsystem zu stören (endokrine Disruptoren).

    • Sie sind nicht fest an das Material gebunden und können leicht freigesetzt werden (z. B. durch Schweiß).

    • Als Fixiermittel in Ausrüstungsverfahren (z. B. "pflegeleicht", knitterfrei, bügelfrei).

    • Gilt als starkes Allergien auslösendes Mittel und steht unter dem Verdacht, krebserregend zu sein.

    • Kann aus dem fertigen Textil ausdampfen.

    • Zum Bleichen von Baumwolle und als Pestizide im Baumwollanbau.

    • Extrem toxisch und sehr schwer abbaubar (persistent) in der Umwelt.

    • Sie reichern sich in der Nahrungskette an (z. B. Aflatoxine, Dioxine).

    • In wasserabweisenden und schmutzabweisenden Beschichtungen (z. B. bei Funktionskleidung und Outdoor-Textilien).

    • Extrem persistent ("Ewigkeitschemikalien") und sehr schwer abbaubar.

    • Sie reichern sich in Mensch und Umwelt an und stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein.

    • Bei der Faserherstellung (z. B. Viskose) und beim Färben, um die Chemikalien zu lösen.

    • Können reizend sein und bei unkontrollierter Freisetzung die Luft und das Wasser verschmutzen.

    • Einige sind neurotoxisch oder wirken sich auf die Atemwege aus.

    • Zum Behandeln der Fasern (z. B. bei der Entgummierung von Ramie oder der Mercerisierung von Baumwolle) und im Gerbprozess (Leder).

    • Bei unkontrollierter Freisetzung verursachen sie eine drastische Veränderung des pH-Werts von Gewässern, was aquatische Lebewesen massiv schädigt.

    • Gefahr von Verätzungen für Arbeiter

    • Hauptsächlich beim Anbau von Naturfasern (z. B. konventioneller Baumwolle).

    • Vergiften Böden, Gewässer und sind extrem gefährlich für die Gesundheit der Bauern (Vergiftungen, langfristige Krankheiten).

Nahaufnahme einer verformten Plastikfolie.

@jaelphotos

Und was kann ich jetzt tun?

- Umweltfreundliche Alternativen in der Textilproduktion

Es gibt eine wachsende Zahl von umweltfreundlichen Alternativen zu den konventionellen, chemieintensiven Prozessen und synthetischen Fasern. Diese Alternativen fokussieren sich auf geschlossene Kreisläufe, biologische Prozesse und mechanische Veredelungen.

Leinenstoffe gefärbt mit Zwiebelschalen.

@annaauza

Darauf kannst du achten:
Alternative Verfahren, unterteilt nach Produktionsschritt und verwendeter Chemikalie

1. Faserherstellung

  • Schädliches Verfahren: Toxische Viskose-Herstellung

  • Schonendere Alternative: Lyocell-Verfahren (TENCEL™):
    Nutzung eines ungiftigen organischen Lösungsmittels in einem nahezu 100 % geschlossenen Kreislauf.
    Dies minimiert Abwasserbelastung und Chemikalienverbrauch.

  • Schädliches Verfahren: Erdölbasierte Synthetik

  • Schonendere Alternative: Pflanzenbasierte Lederalternativen:
    Nutzung von Abfallprodukten (Kaktus-, Ananas-, Apfel-, Traubentresterfasern).
    Reduziert den Bedarf an fossilen Rohstoffen und schafft neue, biologisch abbaubare Materialien.

  • Schädliches Verfahren: intensiver Ressourcenverbrauch (Land, Wasser, Pestizide)

  • Schonendere Alternative: z.B. Hanf & Leinen
    Natürliche Fasern, die ohne Bewässerung und Pestizide auskommen (Hanf verbessert den Boden sogar).

2. Färben und Bleichen (Alternative zu Azo-Farbstoffen und Chlor)

  • Schädliches Verfahren: Toxische Azo-Farbstoffe

  • Schonendere Alternative: Pflanzenfarben (Natural Dyes):
    Färben mit Extrakten aus Wurzeln, Rinden, Beeren oder Blättern.
    Oft biologisch abbaubar, erfordert aber oft mehr Wasser für das Fixieren der Farbe.

  • Schädliches Verfahren: Chlorbleiche

  • Schonendere Alternative: Sauerstoffbleiche (Hydrogen Peroxide):
    Die Nutzung von Wasserstoffperoxid ist die gängige und umweltfreundlichere Alternative zur hochgiftigen Chlorbleiche.
    Das Abfallprodukt ist im Wesentlichen Wasser.

  • Schädliches Verfahren: Hoher Wasserverbrauch beim Färben

  • Schonendere Alternative: Digitaldruck
    Farbstoffe werden direkt und präzise auf das Textil gesprüht.
    Reduziert den Wasserverbrauch um bis zu 90 % im Vergleich zum konventionellen Nassfärbeverfahren.

3. Textilausrüstung (Alternative zu PFAS und Formaldehyd)

  • Schädliches Verfahren: PFAS-Imprägnierung ("Ewigkeitschemikalien")

  • Schonendere Alternative: PFAS-freie (C0-) Imprägnierung
    Nutzung von Wachsen oder biologischen Polymeren für die Wasserabweisung.
    Zwar oft weniger haltbar, aber frei von persistenten Giften.

  • Schädliches Verfahren: Knitterfreie/Bügelfreie Ausrüstung (Formaldehyd)

  • Schonendere Alternative: Mechanische Veredelung
    Methoden wie das Sanforisieren oder spezielle Hitzeverfahren (anstelle chemischer Fixiermittel) werden eingesetzt, um die Formbeständigkeit zu verbessern.

  • Schädliches Verfahren: Antimikrobielle Ausrüstung

  • Schonendere Alternative: Naturfasern nutzen
    Nutzung der natürlichen Eigenschaften von Leinen, Hanf oder Wolle, die von Natur aus geruchsneutralisierend und antimikrobiell wirken.

Quellen und weiterführende Informationen:

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Faserlexikon